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Deutsches Start-up mischt den Recyclingmarkt auf


Mit dem Recycling geht es in Deutschland in Vergleich zu anderen europäischen Ländern gut voran. Doch es gibt noch viel Luft nach oben. Diese Lücke will ein Hamburger Start-up schließen, das sich die Revolution des deutschen Recyclingmarkts auf die Fahnen geheftet hat.

In vielen Unternehmen funktioniert die Mülltrennung nicht so, wie sie sollte. Oft gibt es nur Abfallbehälter für den Restmüll. Vieles, was sich verwerten ließe, seien es nun Papier- und Kunststoffe, Kupfer und andere Metalle oder Bioabfälle landen ungetrennt in der Verbrennungsanlage. Ein 2018 in Hamburg von Gary Lewis und Felix Heinricy gegründetes Start-up will das grundlegend ändern. Die von ihr kreierte Recyclingplattform Recourcify zeigt Betrieben mit Softwareunterstützung auf, wo Verbesserungen möglich sind und eröffnet neue Wege zu einer effektiven Entsorgung. 

Wer steckt hinter Resourcify?

Die Idee hinter Resourcify hat vor allem ein Ziel: die einfachere und effektivere Gestaltung des Recyclings. Das Management dieses Prozesses ist in vielen Unternehmen oft kompliziert und wird ineffizient über Excel-Listen oder telefonische Absprachen erledigt. Mit der von Resourcify initiierten Plattform und deren Vernetzung mit lokalen Recyclingunternehmen soll sich das dank der damit verbundenen Zeit- und Kosteneinsparungen grundlegend ändern. 

Die Plattform erfasst alle Abfallarten – von Pappe, Holz und Plastikfolien bis hin zu Metall. Die am System beteiligten Betriebe zahlen pro Filiale eine Gebühr. Im Gegenzug erhält Resourcify einen Anteil an den damit erzielten Kosteneinsparungen. Mittlerweile machen an die 15.000 Standorte in Deutschland bei der neuen Plattform mit. Welche Umsätze Resourcify damit erwirtschaftet, gibt das Start-up nicht bekannt. Laut Aussage des Unternehmens gehen jedoch die jährlich wiederkehrenden Einnahmen steil nach oben. 

So funktioniert das System

Die Macher von Resourcify möchten die Abfalltrennung mittels Digitalisierung so einfach wie möglich gestalten und so die Mülltrennung optimieren. Unternehmen, die bei der Plattform mitmachen, verwalten ihr Müllmanagement direkt über das Tool. So lässt sich genau nachverfolgen, in welchen Unternehmensbereichen welche Abfälle entstehen. Die Auswertung der Daten zeigt, wo sich Prozesse optimieren lassen, um die Menge des Abfalls und die damit verbundenen Kosten zu verringern. Das System „kennt“ mittlerweile mehr als 200 Abfallarten. Um die Abholung kümmern sich Entsorgungsunternehmen, die Vertragspartner von Resourcify sind. Sie erledigen auch das Wiegen und die Sortierung. Auf all diese Daten kann der Kunde zugreifen und hat damit einen Überblick darüber, welche Materialien wiederverwendet werden können. 

Diese Daten sind wertvoll, da sie die Basis für effizientere Recyclingabläufe bilden. So schlägt Resourcify etwa vor, welche Entsorgungswege für eine bestimmte Abfallart am besten geeignet sind und ob sich eine Verwertung anstelle der Verbrennung finanziell lohnt. Zeigt sich, dass eine Wiederverwertung Kostenvorteile bringt, schafft das für die am System beteiligten Unternehmen Anreize, diese für sich zu nutzen. 

Große Firmen sind an Bord

Von diesen Vorteilen profitieren mittlerweile große Unternehmen wie etwa Rewe, Edeka, Hornbach, der Frankfurter Flughafen und McDonalds. Auch der Konsumgüterhersteller Johnson & Johnson ist an Bord. 

Nach unternehmenseigenen Angaben von Resourcify konnten diese schon erste Erfolge in Form von spürbar höheren Wiederverwertungsquoten erzielen. Die Nachhaltigkeit profitiert auch von der Tatsache, dass hochwertige Rohstoffe weniger oft im Restmüll landen. Dank dieser positiven Entwicklung spülte die jüngste Finanzierungsrunde mit dem Bestandsinvestor Revent und dem neuen Investor Vorwerk neues Kapital ins Unternehmen. Der Tech-Fonds Revent begründet sein Engagement unter anderem damit, dass Resourcify-Kunden ihre Entsorgungskosten um bis zu 40 Prozent verringern können. 

Resourcify will das frische Geld für seine Expansionspläne nutzen und so etwas wie das „Betriebssystem“ der Kreislaufwirtschaft in Europa werden. Das ist angesichts mangelnder Konkurrenz gar nicht so unwahrscheinlich. Zwar gibt es mit Rubicon und Roadrunner ähnlich arbeitende Start-ups, diese konzentrieren sich jedoch ausschließlich auf den US-amerikanischen Markt. 

Ein wichtiger Erfolgsfaktor für Resourcify ist zweifellos die ab 2030 deutlich höhere Messlatte der EU in Sachen Recycling. Die neuen Standards könnten so etwas wie ein Wachstumsmotor für das Start-up werden die Nachfrage spürbar ankurbeln. Laut einer für das Handelsblatt vorgenommenen Schätzung der Unternehmensberatungsgesellschaft BCG dürfte bis dahin der Umsatz am europäische Recyclingmarkt auf 800 Milliarden Euro anwachsen, was etwa dem doppelten Volumen des Logistikmarkts entspricht. 

Es gibt auch Nachteile

Bei allen unbestreitbaren Vorteilen der neuen Recyclingplattform gibt es doch auch Nachteile. Ein kritischer Punkt ist, dass sich Resourcify zur Gänze über Lizenzgebühren finanziert, die aus der Höhe der durch die Plattform erzielten Kosteneinsparungen resultieren. Das bedeutet, dass Resourcify umso mehr einnimmt, je kostengünstiger für den Kunden die Abfallbehandlung ist. Die billigste Entsorgungsart ist allerdings nicht unbedingt die umweltfreundlichste und nachhaltigste.