• Tel +49 (911) 977200
  • Fax +49 (911) 9772022

Fiction wird Realität: Künstliche Intelligenz und Abfallwirtschaft


Die künstliche Intelligenz macht auch vor der Abfallwirtschaft nicht halt. Erste spannende Projekte weisen darauf hin, wohin die Reise geht und wie groß mögliche Einspareffekte durch die „Digitalisierung“ des Abfalls sind.

Intelligente Bildanalyseprogramme und Deep-Learning-Algorithmen zeigen schon heute, was morgen vielleicht selbstverständlich sein wird: Eine Abfallwirtschaft, die dank künstlicher Intelligenz innovative Lösungen für unsere Müllberge und völlig neue Strukturen bei der Entsorgung bringt. All das steckt zwar teilweise noch in den Kinderschuhen, doch es gibt interessante Gehversuche, die schon jetzt ahnen lassen, was KI möglich macht.

Automatische Sortierung großstückiger Abfälle

Das Bundesumweltministerium unterstützt diese Bemühungen aktuell mit zwei Forschungsprojekten, die mittels künstlicher Intelligenz die Abfallwirtschaft effizienter und noch umweltschonender machen sollen. Ein Projekt konzentriert sich auf die Bewältigung von Plastikmüll in Gewässern, ein zweites dreht sich um die Verwertung von Bauschutt und Sperrmüll. Das vom Bund geförderte Projekt „Smart Recycling Up“ in Zusammenarbeit mit dem Bremer Institut für Energie und Kreislaufwirtschaft dreht sich um die effizientere Verwertung von großstückigen Abfällen mittels Robotik, modernen Sensoren und KI. Bislang ist eine automatisierte Trennung nur für kleinere Abfälle, die über ein Förderband laufen, möglich. Während es hier große Fortschritte gab und gibt, muss etwa großstückiger Bauschutt wie noch vor einem halben Jahrhundert mit Kränen und Baggern sortiert werden. Mit „Smart Recycling Up“ soll künftig eine automatische Trennung möglich sein, ohne dass großformatige Abfälle vorher aufwendig zerkleinert werden müssen.

Intelligenter Blick in die Biotonne

Auch in Sachen Bioabfall gibt es neue, spannende KI-Trends. So hat etwa das IT-Systemhaus für Abfallentsorgung c-detect ein KI-basiertes System entwickelt, das automatisch Störstoffe im Bioabfall entdeckt. Ein wichtiger Schritt angesichts der Novelle der Bioabfallverordnung, die ab 1. Mai 2025 maximal drei Prozent Kunststoffanteil in der Biotonne erlaubt. Das neue Störerkennungssystem wird bereits in einigen Städten wie Kleve oder Bremen getestet. Die Sammelfahrzeuge besitzen am Heck zwei Kameras, die in die Biotonne blicken und mittels künstlicher Intelligenz den Inhalt bewerten. Die Software ist darauf trainiert, alles, was nicht in den Bioabfall gehört, zu erkennen. Das reicht bis hin zu irrtümlich entsorgten Kunststoffen, die zwar als biologisch abbaubar beworben werden, aber dennoch nicht in die Biotonne dürfen. Findet das System derartige Fremd- und Störstoffe, stoppt es automatisch das Entleeren der Tonne.

Kontrolle, Bewertung und Abfallreduktion in einem System

Das Identifikationssystem ermittelt den Verursacher der fehlerhaften Befüllung und liefert auch gleich den Bildbeweis für allfällige Reklamationen. Das Erkennungssystem lässt sich zudem mit einer Kamera im Fahrzeuginneren kombinieren, die unter Bioabfällen versteckte Störstoffe erkennt und diese dokumentiert. Die Mitarbeiter können das Ganze in Echtzeit über ein Display im Fahrzeug verfolgen.

Die Ergebnisse und die Qualität des KI-geprüften Bioabfalls sind laut Auskunft von c-detect vielversprechend. Stichprobenartige, manuelle Kontrollen lassen sich so komplett automatisieren, ohne dass die Mitarbeiter einer zusätzlichen Gesundheits- und Arbeitsbelastung ausgesetzt sind. Auch das Management der Stoffströme profitiert von den gewonnenen Daten. Sind Chargen stark verschmutzt, lassen sie sich mit der neuen Lösung zielgerichtet steuern. Bei der Vergärung und Kompostierung gibt es ebenfalls positive Effekte. Der Betriebsaufwand und die Aufbereitungstechnik lassen sich optimieren und die nötigen Abläufe effizienter gestalten. Insgesamt sinken laut Auskunft des IT-Hauses Restmüllaufkommen sowie Entsorgungskosten, und zwar bei gleichbleibender Anlagentechnik. Das gezielte Steuern der Abfallsammelfahrzeuge reduziere die Feinstaub- und CO₂-Belastung und erhöhe zugleich bei den Bürgern das Recycling- und Umweltbewusstsein, betont man bei c-detect.

In Österreich wird der Hausmüll „smart“

Auf ein direktes Feedback setzt auch ein digitales Abfallprojekt in Villach. Die Kleinstadt im österreichischen Bundesland Kärnten geht mit dem Pilotprojekt „Smart Waste Villach“ mittels Hightech-Sensoren und künstlicher Intelligenz neue Wege bei der Sammlung von Restmüll, Altglas und Biomüll im urbanen Raum. Rund 500 Hausmüllbehälter wurden mit Chips und einer Identifikationsnummer für jeden Haushalt ausgestattet. Wertstoffscanner in den Müllfahrzeugen fotografieren während des Entleerens die materielle Zusammensetzung des Mülls, und zwar ohne dabei datenschutzrechtlich problematische Details zu erfassen. Nach dem Entleeren erhalten die freiwilligen Teilnehmer des Versuchs mittels App eine persönliche Rückmeldung bzw. je nach Trennverhalten wie in Tempo-30-Zonen einen roten, einen orangen oder einen grünen Smiley.

In einem zweiten Teilprojekt wurden rund tausend Altglas-Container mit Hightech-Sensoren ausgerüstet. Diese schicken eine Füllstands-Meldung an eine intelligente Plattform, wenn der Container voll ist. So lassen sich unnötige Abholfahrten zu halbleeren Containern vermeiden und die Abholrouten optimieren. Das System soll zudem ein flexibleres Agieren und besseres Handling der Entsorgung in Ausnahmesituationen wie der Corona-Epidemie ermöglichen.