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Umweltkriminalität: Deutschlands illegale Müllhalden

 

Jahr für Jahr verbringen Kriminelle enorme Mengen Müll auf illegale Halden. Für den deutschen Steuerzahler bedeutet das Milliardenschäden und für die Umwelt massive Probleme. Auch Landwirte werden zunehmend Opfer dieser Praktiken.

Deutschland hat ein Problem mit kriminellen Strukturen rund um illegale Müllkippen. Das hat etwa das ZDF-Magazin frontal eindrucksvoll aufgezeigt. Die Auswertung von Daten aus den Landesumweltministerien und aus allen 401 deutschen Landkreisen brachte ernüchternde bis bestürzende Ergebnisse. Viele Kommunen bleiben demnach auf illegal entsorgtem Müll sitzen und müssen diesen teuer fachgerecht entsorgen. Der finanzielle Schaden soll Jahr für Jahr mindestens 1,2 Milliarden Euro betragen. Dazu kommen noch massive negative Auswirkungen auf die Umwelt und hier vor allem auf das Grundwasser. 
In die Auswertung einbezogen wurden lediglich größere Halden illegalen Abfalls mit einem Volumen von mindestens 100 Tonnen. Kleinere Mengen, wie man sie oft im Wald oder an der Straße findet, wurden nicht erfasst. Laut den vom ZDF-Team analysierten Daten gibt es in Deutschland mindestens 330 illegale Müllhalden, auf denen in großem Umfang Abfälle landen – mitunter sogar mehrere Hunderttausend Tonnen. Die Abfallarten sind breit gestreut und reichen von Elektroschrott über Klärschlamm bis hin zu Hausmüll.


Deutschlands Müll-Hotspots


Kein Bundesland bleibt verschont, doch die norddeutschen Bundesländer sind besonders stark betroffen. Hier gibt es rund 60 große Müllkippen, wo illegal und systematisch Abfälle entsorgt wurden bzw. immer noch werden, und zwar vor allem Altreifen und Bauabfälle. Die größte illegale Deponie liegt im Bremer Ölhafen, wo mehr als 600.000 Tonnen an kontaminierten Erden lagern. Ein weiteres Negativbeispiel ist eine Tongrube im Nordrhein-Westfalen, in der Tausende Tonnen von ölhaltigen Abfällen aus einer Raffinerie gesetzwidrig entsorgt wurden. Auch Brandenburg ist mit rund 120 illegalen Mülllagerstätten, in denen rund fünf Millionen Tonnen Abfall vor sich hin rotten, stark betroffen. Die Schäden für die Umwelt und die Gesundheit der Menschen lassen sich kaum abschätzen. In mehreren gesetzwidrigen Müllkippen wurde eine Verseuchung des Grundwassers nachgewiesen. 


Wer steckt hinter den Müllsünden?


Das Problem ist nicht neu. Viele der im Zuge der ZDF-Recherchen gefundenen illegalen Müllhalden gibt es bereits seit vielen Jahren. Und es steckt ein System dahinter: Kriminelle, die mit der rechtswidrigen Entsorgung gutes Geld machen und die sich geschickt der Verfolgung durch die Behörden entziehen. Oft erschweren es komplexe Firmengeflechte, die tatsächlichen Verursacher nachzuweisen. Kommt es doch einmal zu Geldstrafen, sind diese oft gering, da die Verursacher ihr Vermögen meist geschickt verschieben, um vor Gericht als „armer Schlucker“ zu gelten. Das in Deutschland gültige Verursacherprinzip wird dadurch ausgehebelt und das Risiko, erwischt zu werden, lohnt sich mehr denn je.
Umweltkriminalität ist zudem längst ein internationaler Markt. Laut dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen spült der illegale Abfallmarkt jährlich 10 bis 12 Milliarden Euro in die Kassen der „Entsorger“. Mit diesen Gewinnaussichten ist der „zweite“ Müllmarkt für die Mafia mittlerweile gewinnbringender als der Drogenhandel. Illegale Mülldeponien im Ausland sind eine richtige Goldgrube. Auch Plastikmüll aus Deutschland, der nicht recycelt und daher nicht ausgeführt werden dürfte, landet dort. Das belegt etwa eindrucksvoll eine Aktion von Greenpeace, die den Weg von Plastikmüll mittels GPS-Trackern verfolgt hat. Dabei zeigte sich, dass die illegalen Entsorgungswege häufig nach Südostasien oder in die Türkei führen. Dort verrotten die Abfälle oder werden verbrannt, was zulasten der Gesundheit der Bevölkerung geht. 


Entsorgung in Wald und Wiese


Die rechtswidrige Abfallentsorgung hat noch ein weiteres hässliches Gesicht: Immer öfter landet Müll in größeren Mengen einfach in Wald und Wiese. Dabei geht es nicht vorrangig um den leidigen Kleinmüll wie achtlos weggeworfene Getränkedosen, sondern z.B. um ganze Berge von Altreifen, die irgendwo im Forst „entsorgt“ werden. 
Diese illegale Abfallbeseitigung auf Agrarland ist in Deutschland sozusagen erst im Kommen. In Großbritannien hat sie sich bereits zu einem enormen Problem entwickelt. Hier wird immer häufiger Müll einfach auf landwirtschaftlich genutzten Flächen abgeladen. Mehr als eine Million derartiger Vorfälle gibt es mittlerweile pro Jahr. Die Dunkelziffer dürfte noch weit höher sein. Der illegale Müll wird in Nacht- und Nebelaktionen gezielt von kriminellen Banden auf Äckern und Wiesen deponiert. Immer mehr Farmer entdecken auf ihrem Land wilde Müllkippen. Auch damit zusammenhängende Bedrohungen und Einschüchterungsversuche wurden von Landwirten berichtet. Leider hat sich gezeigt, dass Präventivmaßnahmen mit Sicherheitskameras oder Absperrungen oft wenig bis keine Wirkung zeigen.
Laut Vertretern der britischen National Farmers Union ist die Situation bereits außer Kontrolle geraten und entwickelt sich immer mehr in Richtung organisierte Kriminalität. Auch „Einmietbetrüger“ sind in Großbritannien ein zunehmendes Problem. Diese pachten landwirtschaftliche Flächen oder Gebäude, deponieren dort Lastwagenladungen von Abfällen und verschwinden auf Nimmerwiedersehen. Die haftbaren Besitzer und Landwirte müssen die Müllberge dann auf eigene Kosten entsorgen.