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Intelligenter bauen mit weniger Emissionen


Sand und andere Baurohstoffe werden knapp. Abriss statt Neubau liegt in Deutschland dennoch im Trend. Neue Wege und Maßnahmen beim Recycling sollen einen Ausweg bieten.

So manches läuft in Deutschland beim Bau von Gebäuden falsch, sind viele Experten überzeugt. Allzu oft werden alte Gebäude, die man sanieren könnte, einfach abgerissen. Was neu errichtet wird, lässt sich meist mit deutlich höherer Rendite als ein saniertes Objekt verwerten.

Diese wirtschaftlichen Vorteile gehen zulasten der Umwelt und des Klimaschutzes. Werden neue Baumaterialien produziert, ist jede Menge CO₂ im Spiel. Auch beim Abriss fallen enorme Müllmengen an, und zwar in einer Größenordnung, die vielen nicht bewusst ist. Laut Umweltbundesamt geht rund die Hälfte aller Abfälle in Deutschland auf dieses Konto. Und beachtliche zehn Prozent des deutschen CO₂-Ausstoßes sind einzig und allein Folge der Entsorgung und des Neubaus von Gebäuden. 

Sand wird Mangelware

Das alles wirkt sich jedoch nicht nur auf die Umwelt, sondern auch auf die Verfügbarkeit von Rohstoffen aus. Betroffen ist insbesondere Sand, der vor allem beim Bauen eingesetzt wird. Das Bindemittel im Beton ist eine jener Ressourcen, die weltweit am häufigsten ausgebeutet werden, oft mit dramatischen Folgen für die Umwelt. Daher warnt die UNO bereits vor einer globalen Sandkrise. Die Umweltexperten der Vereinten Nationen gehen davon aus, weltweit pro Jahr rund 50 Milliarden Tonnen Kies und Sand verbraucht werden. 

Eine Lösung dieses Problems liegt in der vermehrten Wiederverwertung von Abbruch- und Bauabfällen. Bereits vorhandener Beton soll so nach einer entsprechenden Aufbereitung neuen Sand ersetzen. Die beim Bau erforderlichen Mengen sind enorm. Schon die Errichtung eines Einfamilienhauses verschlingt rund Tonnen dieser Ressource. 

Alternativen sind gefragt

Anwender, die wiederverwendbare Bauabfälle erneut nutzen wollten, mussten dies mit je nach Bundesland unterschiedlichen Regelungen und mit großem Aufwand genehmigen lassen. Eine im Sommer 2023 in Kraft getretene bundesweit einheitliche Verordnung zum Umgang mit Bauschutt sollte das ändern. Doch die „Verordnung über Anforderungen an den Einbau von mineralischen Ersatzbaustoffen in technische Bauwerke“, so der genaue Wortlaut des Regelwerks, erfüllte die in sie gesetzten Erwartungen bislang nicht. Die Gründe dafür sind einerseits der mit der Verordnung verbundene bürokratische Mehraufwand und andererseits Probleme mit falschen Ausschreibungen. Die Unzufriedenheit mit dem neuen Regelwerk ist groß und Unternehmen hoffen, dass Schwachstellen bald mit einer Novelle beseitigt werden. 

Schwierige Lage für Recyclingware

Das Potenzial, das Recycling-Beton bietet, ist auf jeden Fall noch lange nicht ausgeschöpft, so die einhellige Meinung von Materialforschern. Dabei geht es auch um die weitreichenden Möglichkeiten der Carbonatisierung. Dabei reagiert Beton auf natürliche Weise mit CO₂ aus der Luft. Das klimaschädliche Gas wird zum Teil aufgenommen und anschließend eingelagert. 

Dieser Prozess läuft jedoch nicht von heute auf morgen ab, sondern entwickelt sich über mehrere Jahrzehnte. Wie er sich beschleunigen lässt, steht im Mittelpunkt eines spannenden Projekts der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa). Die hier entwickelte Lösung startet bereits bei der Produktion. Dabei wird Recycling-Beton mit CO₂ angereichert, was die Aufnahme des Treibhausgases ankurbelt. Der Nutzen ist zweifach: Die CO₂-Aufnahme sorgt für die wichtige Entlastung der Atmosphäre, gleichzeitig ist der damit erzeugte Beton fester und braucht weniger Zement. Die Forscher der EMPA schätzen, dass sich damit im Vergleich zur herkömmlichen Produktion rund 15 Prozent CO₂ einsparen lassen. 

Ressourcenpass unverzichtbar

So vielversprechend diese Ansätze sind, so krankt es heute doch noch in erster Linie daran, dass man beim Abriss eines Gebäudes nach wie vor im Dunkeln tappt, was die verbauten Materialien angeht. Der von der Bundesregierung geplante digitale Ressourcenpass für Gebäude soll hier für mehr Transparenz sorgen, ist aber noch nicht in Kraft. Angesichts der geplanten Änderungen gibt es in der Bauwirtschaft allerdings bereits freiwillige Akteure, die Lösungen mit digitalem Datenzugriff verfolgen. 

Die früher oder später schlagend werdende Verpflichtung zur Dokumentation der verbauten Materialien wird also zumindest ansatzweise bereits vorweggenommen. Experten rechnen damit, dass der Weg in Richtung Materialkreislauf, um bei einem späteren Abriss auf ein Rohstofflager zugreifen zu können, die Bauwirtschaft so stark verändern wird wie die Pflicht zum Energieausweis. Der Gebäuderessourcenpass wird künftig die Voraussetzung für Zertifizierungen, Finanzierungen und Fördermaßnahmen sein. 

Um mehr Bewegung in das abfallreduzierte Bauen zu bringen, hat die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen e.V. (DGNB) einen Musterpass ins Leben gerufen. Er soll die Kreislauffähigkeit, die verbauten Materialien und die CO₂-Emissionen eines Gebäudes transparenter machen. Die Dokumentation umfasst die Art der eingesetzten Materialien und Rohstoffe, ihre Herkunft sowie die sich aus dem Projekt ergebenden Bauabfälle. Ebenfalls erfasst werden die Demontagefähigkeit und das Potenzial der Materialverwertung. Der Ressourcenpass ist in der Vollvariante und einer reduzierten Variante für Einsteiger kostenlos bei der DGNB erhältlich.